In der modernen Industrie entscheidet nicht mehr nur das Produkt über den Erfolg – sondern die Verlässlichkeit der Prozesse dahinter. Wer Maschinen wartet, wenn sie längst stehen, hat bereits verloren. Stattdessen verlagert sich der Fokus auf vorausschauende Instandhaltungsmethoden, die Störungen verhindern, bevor sie entstehen. Predictive Maintenance ist dabei nur eine von vielen Techniken, die durch die Analyse von Sensordaten und maschinellem Lernen ermöglicht werden – und sie verändert die Spielregeln für Wartung und Verfügbarkeit.
Die Instandhaltung im Wandel: von reaktiv zu präventiv zu datengetrieben
Noch vor wenigen Jahren war es völlig normal, Maschinen nach einem festen Zeitplan zu warten – oder erst dann, wenn sie ausfielen. Beides führte zu Stillständen, Ersatzteilengpässen und ungeplanten Kosten. Heute entsteht durch digitale Technologien eine dritte Möglichkeit: die datenbasierte Instandhaltung.
Dabei fließen kontinuierlich Informationen von Sensoren, Steuerungen und Produktionssystemen in ein Analysemodell. Dieses erkennt Abweichungen vom Idealzustand und gibt frühzeitig Warnsignale. So lässt sich gezielt eingreifen, bevor ein Bauteil versagt.
Drei grundlegende Instandhaltungsstrategien im Überblick:
Instandhaltungsstrategie | Charakteristik und Risiken |
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Reaktiv | Wartung erfolgt erst bei einem Ausfall. Dadurch entstehen hohe Kosten, unerwartete Stillstände und längere Reparaturzeiten. |
Präventiv | Maschinen werden nach festen Intervallen gewartet – oft unabhängig vom tatsächlichen Zustand. Das führt zu unnötigem Aufwand und Kosten. |
Datenbasiert | Wartung erfolgt auf Basis aktueller Zustandsdaten und Warnsignale. Störungen lassen sich frühzeitig erkennen und gezielt vermeiden. |
Warum Predictive-Konzepte längst kein Zukunftsthema mehr sind
Das Prinzip „Wir warten, bis es knallt“ hat ausgedient. Unternehmen, die heute auf Echtzeitdaten setzen, profitieren mehrfach – von höherer Anlagenverfügbarkeit bis zur Reduktion von Ersatzteillagern. Besonders in Branchen mit komplexen Produktionsprozessen wie der Automobil-, Pharma- oder Lebensmittelindustrie wird datengetriebene Instandhaltung zum Wettbewerbsfaktor.
Doch Predictive Maintenance funktioniert nur dann, wenn Unternehmen die richtigen Voraussetzungen schaffen. Dazu gehören:
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Eine vernetzte Sensorik in Maschinen
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Zentrale Datenplattformen mit Analysezugriff
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Interdisziplinäre Teams aus IT, Produktion und Wartung
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Prozesse, die flexibel auf Empfehlungen reagieren können
Ein Praxisbeispiel sowie vertiefende Informationen zu Predictive Maintenance finden Sie unter https://iconpro.com/use-cases/predictive-maintenance/.
Die sechs größten Hebel datenbasierter Instandhaltung
1. Minimierte Ausfallzeiten
Durch vorausschauende Warnmeldungen kann das Wartungsteam frühzeitig eingreifen. Das senkt die Stillstandsdauer auf ein Minimum.
2. Verlängerte Maschinenlebensdauer
Statt starrer Wartungsintervalle orientiert sich die Instandhaltung am tatsächlichen Zustand – was Maschinen länger betriebsbereit hält.
3. Ressourcenschonung
Ersatzteile werden gezielter und nur bei Bedarf verbaut. Das entlastet Lager und spart Budget.
4. Transparenz in Echtzeit
Daten werden sichtbar – egal ob auf dem Shopfloor, im Leitstand oder mobil per Tablet.
5. Höhere Planungssicherheit
Produktionspläne lassen sich stabiler umsetzen, weil Ausfälle seltener unvorhergesehen auftreten.
6. Bessere Zusammenarbeit
IT, Technik und Fertigung arbeiten auf einer gemeinsamen Datenbasis. Das verbessert Prozesse und Kommunikation.
Checkliste – So gelingt der Umstieg auf datenbasierte Instandhaltung
Diese praxisnahe Übersicht richtet sich an Projektleiter, Instandhalter und IT-Verantwortliche, die ihre Instandhaltungsstrategie digitalisieren möchten. Sie umfasst alle Kernpunkte, die bei der Einführung datengetriebener Wartungsprozesse beachtet werden sollten – von der Analyse bis zur Umsetzung.
✅ | Schritt & Maßnahme |
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◻️ | Ist-Zustand analysieren: Welche Maschinen sind eingebunden, welche Ausfälle treten regelmäßig auf, und wie sieht der aktuelle Wartungsprozess aus? |
◻️ | Sensorik erfassen: Prüfen, ob Maschinen über geeignete Sensoren verfügen oder welche Komponenten nachgerüstet werden müssen. |
◻️ | Datenzugang sichern: Schnittstellen zwischen Maschinensteuerung (SPS), MES, ERP und Cloud-Systemen einrichten oder erweitern. |
◻️ | Zentrale Datenplattform wählen: Auswahl einer Plattform für Datenintegration und Analyse (z. B. über IIoT oder Predictive-Analytics-Lösungen). |
◻️ | Zustandsindikatoren definieren: Mit dem Technikteam Schwellenwerte, Anomalien und Verschleißgrenzen identifizieren. |
◻️ | Dashboards & Warnsysteme konfigurieren: Frühwarnsysteme auf Basis der Daten einrichten, visuelle Hilfsmittel bereitstellen. |
◻️ | Workflows überarbeiten: Bestehende Abläufe im Wartungsteam anpassen – Reaktion auf Warnungen, Ersatzteilhandling, Reporting. |
◻️ | Mitarbeitende schulen: Techniker und Planer im Umgang mit Datenanalyse und Systemreaktionen trainieren. |
◻️ | Kulturwandel begleiten: Change Management etablieren – Unsicherheiten abbauen, Vorteile kommunizieren, Beteiligte einbinden. |
◻️ | Testphase einführen: Predictive Maintenance in einem Pilotbereich starten und Ergebnisse evaluieren. |
Tipp: Ein strukturierter Projektplan mit klaren Zuständigkeiten und Meilensteinen beschleunigt die Umsetzung deutlich.
Wo Predictive-Ansätze an ihre Grenzen stoßen
So nützlich datengetriebene Wartung auch ist – sie löst nicht jedes Problem. Beispielsweise funktioniert sie nur bei Systemen mit stabiler Datenqualität. Auch organisatorisch sind klare Zuständigkeiten nötig. Ohne Wartungspersonal, das Empfehlungen umsetzt, bleiben Algorithmen wirkungslos.
Typische Herausforderungen:
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Datenlücken bei älteren Maschinen
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Mangel an qualifiziertem Personal im Bereich Data Science
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Widerstände bei der Umstellung von etablierten Wartungsroutinen
Doch wer sich diesen Hürden stellt, gewinnt langfristig Kontrolle über Prozesse zurück – statt sich von ungeplanten Ausfällen überraschen zu lassen.
Interview mit dem Instandhaltungsleiter eines Maschinenbauunternehmens
Position: Herr M., Instandhaltungsleiter bei einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen (ca. 350 Mitarbeitende, 4 Produktionslinien)
Herr M., wann haben Sie sich erstmals mit datenbasierter Instandhaltung beschäftigt?
Das Thema kam vor etwa drei Jahren über unsere IT-Abteilung ins Haus. Damals hatten wir mehrere Stillstände pro Quartal, die wir einfach nicht genau vorhersagen konnten. Also haben wir begonnen, Daten zu sammeln – erst manuell, später automatisiert.
Was war der größte Unterschied im Vergleich zur klassischen Wartung?
Früher haben wir nach festen Intervallen geschraubt. Da wurde eine Pumpe eben alle drei Monate ausgetauscht – egal, ob sie gebraucht wurde oder nicht. Mit der Analyse erkennen wir jetzt Verschleißmuster. Wir tauschen Teile, wenn sich der Zustand wirklich verändert – nicht wenn der Kalender es sagt.
Wie haben Ihre Mitarbeitenden auf den Umstieg reagiert?
Gemischt. Einige waren sofort neugierig, andere eher skeptisch. Es gab schon die Sorge, dass ein Computer ihnen vorschreibt, was zu tun ist. Aber als sie gemerkt haben, dass sie weniger Stress mit Notfalleinsätzen haben und mehr Zeit für geplante Maßnahmen bleibt, kippte die Stimmung. Heute will niemand mehr zurück.
Was war die größte technische Hürde?
Die Datenqualität. Viele Maschinen sind älter – Baujahr 2005 oder älter. Da war nichts vernetzt. Wir mussten mit Nachrüstkits arbeiten, um Vibrationsdaten oder Temperaturkurven zu bekommen. Und natürlich: Die Interpretation. Ohne gute Algorithmen bringt dir das beste Dashboard nichts.
Gab es einen „Aha-Moment“, der Sie überzeugt hat?
Ja. Bei einer Hydraulikpresse hat das System eine Unwucht erkannt – Wochen bevor wir es akustisch wahrnehmen konnten. Wir haben das Teil getauscht, bevor es geklemmt hätte. Hätte das versagt, wären zwei Wochen Produktion ausgefallen. Ab da war klar: Das ist kein Spielzeug, das ist Wirtschaftlichkeit.
Was würden Sie anderen Unternehmen empfehlen, die sich mit dem Thema beschäftigen?
Fangt klein an. Ein Pilotbereich reicht. Wichtig ist, dass man aus den Daten lernt – technisch wie organisatorisch. Und: Lasst die Instandhalter mitreden. Denn die müssen am Ende mit dem System arbeiten – nicht die Projektleiter im Konferenzraum.
Technologie ist kein Ersatz – sondern ein Werkzeug
Wer Daten nutzt, erkennt Fehler nicht später, sondern früher. Und genau darin liegt der wahre Vorteil smarter Instandhaltung: Sie gibt Technikern ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie präziser arbeiten – nicht mehr, nicht weniger.
Predictive Maintenance ist dabei ein Baustein unter vielen – aber ein entscheidender, wenn es um Verfügbarkeit, Effizienz und Zukunftsfähigkeit geht.
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