Produktsicherheitsrecht: Geschäftsperson mit Tablet, auf dem das Wort „Compliance“ und rechtliche Symbole dargestellt sind

Verantwortung wird Pflicht: Was Unternehmen wissen müssen

Das Produktsicherheitsrecht regelt, was Unternehmen erfüllen müssen, um Produkte in Europa rechtssicher zu vermarkten – und rechtlich abzusichern.
Wer als Hersteller, Importeur oder Händler aktiv ist, braucht mehr als ein funktionierendes Produkt. Dieser Beitrag zeigt, welche Pflichten wirklich zählen – und wie Unternehmen ihnen gerecht werden.

Verantwortung hat ein System – und eine juristische Struktur

Das Produktsicherheitsrecht ist kein loses Regelwerk. Es basiert auf einem durchdachten Zusammenspiel aus EU-Richtlinien, Verordnungen wie der Marktüberwachungsverordnung und nationalen Gesetzen wie dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Unternehmen sind hier nicht nur technische Entwickler, sondern auch rechtlich haftbare Akteure.

Je nach Rolle – Hersteller, Importeur oder Händler – gelten unterschiedliche Pflichten. Hersteller müssen technische Dokumentationen erstellen und Konformitätsbewertungen durchführen. Importeure prüfen, ob die Produkte ihrer Lieferanten allen Vorgaben entsprechen. Händler tragen die Verantwortung für Rückverfolgbarkeit und Information.

Wer diese Struktur kennt, kann Risiken früh erkennen – und Bußgelder, Vertriebsverbote oder Rückrufe vermeiden.

Das Risiko beginnt vor dem Produktstart

Viele Pflichten greifen nicht erst beim Verkauf, sondern weit vorher:

  • CE-Kennzeichnung: Ohne korrekte Konformitätsbewertung darf das Produkt nicht auf den Markt.
  • Technische Dokumentation: Unvollständig? Das kann bei Kontrollen zur sofortigen Verkaufsuntersagung führen.
  • Risikobewertung: Muss durchgeführt und dokumentiert werden – sonst droht im Ernstfall die Produkthaftung.

Die häufigste Fehleinschätzung: Unternehmen verlassen sich auf externe Prüfstellen, übernehmen aber selbst keine Verantwortung. Dabei bleibt die Haftung immer beim Inverkehrbringer – also beim Unternehmen selbst.

Pflichten, die viele übersehen – mit teuren Folgen

Gerade KMU sind überrascht, wenn Marktüberwachungsbehörden Prüfungen durchführen – unangekündigt. Folgende Punkte fallen dabei regelmäßig negativ auf:

Problem Folge für das Unternehmen
Fehlende oder falsche CE-Dokumentation Bußgeld oder Vertriebsverbot
Keine Rückverfolgbarkeit Behördliche Rücknahmeverfügung
Sicherheitsmängel Öffentlicher Produktrückruf, Imageschäden
Keine interne Kontrollverfahren Wiederholte Verstöße gelten als Fahrlässigkeit

Diese Risiken sind vermeidbar – aber nur mit internen Prozessen, die über die Produktentwicklung hinausgehen.

Produktsicherheitsrecht als Managementaufgabe

Hand unterschreibt ein Dokument

Compliance im Produktsicherheitsrecht ist keine Einzelmaßnahme, sondern Bestandteil eines funktionierenden Risikomanagements. Die Praxis zeigt: Wer Verantwortlichkeiten nicht intern klar regelt, gerät in ernste Schwierigkeiten, wenn Behörden aktiv werden.

Was hilft:

  • Rechtliche Bewertung jedes neuen Produkts vor Markteinführung
  • Verantwortliche benennen und dokumentieren
  • Interne Audits durchführen
  • Verfahren für Produktrückrufe und Korrekturmaßnahmen einrichten

Diese Punkte lassen sich nicht an Dritte delegieren. Sie müssen unternehmensintern verstanden und umgesetzt werden.

✅ Checkliste: Interne Prozesse für rechtssichere Produkte

🛠️ Praktische Kontrolle für Produktverantwortliche, QM und Geschäftsführung

Erledigt? Maßnahme zur Umsetzung im Unternehmen
Gibt es eine interne Schulung zu aktuellen Änderungen im Produktsicherheitsrecht (z. B. neue EU-Verordnungen, Normen)?
Wurden für jedes Produkt konkrete Verantwortlichkeiten im Unternehmen schriftlich festgelegt?
Gibt es ein formales Verfahren zur Prüfung von Lieferanten hinsichtlich ihrer Konformitätsnachweise?
Ist ein internes Audit geplant, das auch Sicherheits- und Haftungsthemen erfasst?
Liegt ein Notfallplan für behördliche Marktüberwachung oder Rückrufe vor?
Werden Änderungen am Produkt aktiv erfasst und auf rechtliche Relevanz geprüft?
Besteht eine regelmäßige Abstimmung zwischen Technik, Einkauf, Vertrieb und Rechtsabteilung?
Wird der Lebenszyklus des Produkts aktiv überwacht (z. B. Feedback, Produkthaftungsvorfälle)?
Existieren Prozesse zur Dokumentation von Risikobewertungen außerhalb der CE-Kennzeichnung?
Wurde die letzte technische Dokumentation vollständig archiviert und ist abrufbar?

🎯 Tipp: Druckbar machen und bei internen Compliance-Checks einsetzen. Ein Häkchen ersetzt keine Haftungsfreiheit – aber schafft Klarheit.

Warum Prävention sich auszahlt

Ein einziger Rückruf kann sechsstellige Summen kosten – vom Reputationsschaden ganz zu schweigen. Deshalb gilt: Prävention ist billiger als Korrektur. Wer proaktiv handelt, senkt nicht nur das Haftungsrisiko, sondern stärkt das Vertrauen von Kunden, Behörden und Partnern.

Produktsicherheitsrecht ist keine Bremse für Innovation, sondern ein Rahmen, der nachhaltiges Wachstum absichert. Es zwingt Unternehmen, sich systematisch mit ihren Produkten auseinanderzusetzen – technisch, organisatorisch und juristisch.

Digitale Systeme entlasten, aber ersetzen keine Verantwortung

Person arbeitet am Laptop, umgeben von digitalen Symbolen für Recht, Dokumentation und Planung – Darstellung digitaler Prozesse im Produktsicherheitskontext

Viele Unternehmen setzen mittlerweile Softwarelösungen ein, um ihre gesetzlichen Pflichten effizienter zu erfüllen: Tools für Risikobewertung, Konformitätsbewertung, Produktaktenverwaltung oder Rückrufmanagement. Diese Systeme können helfen, Fehler zu vermeiden – sie schaffen Struktur, automatisieren Abläufe und dokumentieren nachvollziehbar.

Doch Vorsicht: Digitale Tools entbinden nicht von der rechtlichen Verantwortung. Sie ersetzen keine rechtliche Prüfung, sondern bilden nur ab, was intern definiert wurde. Wer Konformitätsdaten automatisch generieren lässt, ohne sie zu prüfen, riskiert schwerwiegende Konsequenzen bei Marktüberwachungen oder Haftungsfällen.

Die Herausforderung liegt darin, Technologie mit Fachverstand zu verbinden. Nur wenn Prozesse, Rollen und Systeme aufeinander abgestimmt sind, entsteht echte Rechtssicherheit. Unternehmen sollten deshalb regelmäßig hinterfragen: Wer validiert unsere automatisierten Prozesse? Wo beginnt die menschliche Prüfungspflicht – und wer trägt sie intern?

Sicher handeln, sicher wachsen

Verantwortung im Markt ist heute keine Option, sondern rechtlich verpflichtend. Wer das Produktsicherheitsrecht ignoriert, spielt mit hohen Risiken – rechtlich wie wirtschaftlich. Unternehmen, die systematisch prüfen, dokumentieren und kontrollieren, handeln nicht nur gesetzeskonform, sondern zukunftsfähig. Denn sie schützen ihre Marke – und den Menschen, der ihr Produkt nutzt.

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